In Winterthur ist in den vergangenen Jahren ein erweitertes regionales Zentrum für die Strafverfolgung entstanden. Das Architektenteam hat bei diesen Um- und Neubauten auf eine neutrale Gestaltung geachtet, wobei unter anderem über 400 vorgefertigte Betonelemente zum Einsatz kamen. Sie tragen zum schlichten Erscheinungsbild bei und strahlen Solidität aus.

Zunehmender Platzmangel und veränderte Bedürfnisse waren die Gründe, die vor über zehn Jahren dazu führten, dass das kantonale Hochbauamt Zürich die neue Bezirksanlage Winterthur in Auftrag gab. Dazu gehört neben den Räumen der Kantonspolizei, der Jugend- und Staatsanwaltschaft und dem Bezirksgericht auch ein Gefängnis. «Und genau das finde ich spannend, denn solche spezifischen Herausforderungen gibt es selten», hebt Michael Künzle von Gunz & Künzle Architekt*innen aus Zürich hervor, der die Leitung des Projekts innehatte. Er und sein Team konnten 2015 den Wettbewerb zur Bezirksanlage für sich entscheiden. «Was dann folgte, war eine Reihe an lehrreichen Aufgaben und wertvollen Erfahrungen, dank denen sich unser zu Beginn noch junges Büro stetig weiterentwickeln konnte», erzählt Michael Künzle.
«Beim Bau eines Gefängnisses muss man sich andere Gedanken machen als bei einem Wohn- oder Geschäftshaus.»
Michael Künzle, Architekt
Sicherheit und Umgebung einbezogen
Mit der Planung der modernisierten Bezirksanlage begann das Team von Gunz & Künzle Architekt*innen und Miebach Oberholzer Architekten im Jahr 2016, die Bauarbeiten starteten 2019. «Nun, Anfang 2025, befinden wir uns in der Abschlussphase», berichtet der Architekt. Er verweist darauf, dass das von ihm und seinem Team konzipierte neue Gebäude bereits im Herbst 2023 fertiggestellt wurde und ergänzt: «Nun finden die letzten Arbeiten im Innen- und Aussenbereich des Areals statt, an denen wir als Planende allerdings nur noch begleitend beteiligt sind.» Für Michael Künzle war die Erstellung eines Gefängnisses ein wegweisender beruflicher Schritt, wie er verrät. «Die Laufzeit des Projekts war lang, zudem erlebte ich die Planungsphase als besonders intensiv, weil wir höchste Anforderungen an die Funktionalität sowie zusätzliche Aspekte wie die Sicherheit berücksichtigen mussten.»
Auch auf die Nachbarschaft wurde bei der Gestaltung des Areals Rücksicht genommen. «Dies taten wir, indem wir die fünfgeschossige Fassade mit einem zurückhaltenden Betonraster versahen. Das passt zu einem Verwaltungsobjekt und strahlt Solidität aus.» Knapp 400 Rahmenelemente und 78 Dachrandelemente mit sandgestrahlten, hellgrauen Oberflächen hat das Elementwerk Istighofen gefertigt, geliefert und montiert. Für den Ausbruchschutz allerdings, berichtet Michael Künzle, sei nicht die Verwendung des Materials Betons entscheidend, sondern ein entsprechendes Fensterprofil.



Unaufdringlich, hell und praktisch
Fürs Team von Gunz & Künzle Architekt*innen war dies der erste Gefängnisbau. «Man trägt dabei eine grosse Verantwortung und muss sich andere Gedanken machen als bei einem Wohn- oder Geschäftshaus», erklärt Michael Künzle. Er betont, dass sich die meisten Menschen nicht freiwillig an einem solchen Ort aufhalten, und dass sie zumeist für längere Zeit dortbleiben müssen, tagsüber und auch in der Nacht. «Auf diese Besonderheiten gingen wir ein, indem wir das Gebäude möglichst neutral gestalteten», erzählt der Projektleiter. «Wir sind der Ansicht, dass die Architektur beruhigend und heilend wirken soll. Auf keinen Fall darf sie eine zusätzliche Strafe sein, indem sie zu aufdringlich erscheint.» In der Umsetzung bedeutet das: Schlichte Designs und Farben, viel natürliches Licht, Weitblick, geeignete Ausweichmöglichkeiten für die betrieblichen Abläufe und eine angenehme Akustik.
Grosses Projekt mit vielen Beteiligten
Während der Erstellung des Neubaus blieb das alte Gefängnis durchgehend in Betrieb, erst später folgte der Rückbau. «Eine Sanierung hätte sich nicht gelohnt, denn das bestehende Gefängnis war viel zu klein und die Substanz war in einem schlechten Zustand, aber auch die Aufteilung der Räume entsprach den heutigen Anforderungen nicht mehr», erklärt Michael Künzle. Er verweist darauf, dass an diesem aussergewöhnlich umfangreichen Vorhaben weit über 50 Personen aus diversen Bereichen beteiligt waren. Gunz & Künzle Architekt*innen arbeitete unter der Leitung des kantonalen Hochbauamts intensiv mit Miebach Oberholzer Architekten und Ghisleni Partner AG zusammen. «Das Ziel aller Beteiligten bestand von Anfang an darin, die langfristige Weiterentwicklung der Bezirksanlage Winterthur sicherzustellen», sagt Michael Künzle. «Und ich finde, dass uns das mit diesem respektvoll gestalteten Zweckbau gelungen ist.»
Bezirksanlage Winterthur: Um- und Neubauten im Überblick
Seit über einem Jahr ergänzt der längliche Neubau entlang der Geleise beim Bahnhof Winterthur das bestehende Verwaltungsgebäude. «Er fügt sich mit seiner zurückhaltenden Architektur harmonisch in die bestehende Anlage ein», heisst es in einem Bericht der Baudirektion des Kantons Zürich. Auf dem Areal wurde zudem ein rund 60-jähriger Altbau instandgesetzt. Beim Ergänzungsbau von 2005 wiederum hat man das Erdgeschoss zu Büroflächen ausgebaut. Laut Angaben der Baudirektion bestand das Ziel aller Massnahmen darin, die Eigenschaften der unterschiedlichen Gebäude zu erhalten und die verschiedenen Entwicklungsschritte sichtbar zu machen.